Sünderblut – Ein Fall für Henry Kilmer

Sünderblut

Für mich war Henry Kilmer immer ein Mann jenseits der Fünfzig, auch wenn er in Sünderblut ein biologisches Alter von Anfang 30 hat. Der schöne Begriff vom alten Kind lenkte mich, während ich seinen Charakter erstmals formte. Sein Aussehen blieb davon jedoch unberührt. Der Körper hager und muskulös, die Augenbrauen buschig und die Gesichtszüge ein wenig streng, es sei denn, er bemüht sich um eine aufgeschlossene Miene. Dann offenbart sich unter seinem Seitenscheitel eine Spur kindlicher Unbedarftheit. Henry verbirgt seine Gefühle gern hinter einer teilnahmslosen Miene. Dieses Verhalten ist weniger in der Furcht begründet, sein Inneres preiszugeben, vielmehr möchte er seiner Umwelt keine falschen Signale senden. Ihm ist es ein Gräuel, übermäßige Reaktionen bei seinem Gegenüber hervorzurufen. Sein Auftreten und seine Kleidung – ein braunes Jackett, eine schwarzes Jeans und eine unspektakuläre Umhängetasche  – sollen ihn bestenfalls unsichtbar machen.

Sünderblut, der erste Fall im Henry Kilmer Kanon, bietet nur zaghafte Einblicke in das Wesen seiner Hauptfigur. Zu behaupten, die Figur von Vornherein so angelegt zu haben, wäre allerdings eine Lüge. Henry Kilmer hat sich erst beim Schreiben geformt.

Er passierte unter einer Brücke hindurch die A4 und lief weiter nach Süden. Smog bläute die Luft, und er versuchte möglichst flach zu atmen. Ob er seine Lunge tatsächlich schonte, wusste er nicht. Henry Kilmer war kein Arzt. Henry Kilmer war Polizist.

Mit diesen Sätzen preschte Henry in die Welt der Kriminalliteratur. Laufend. Nichtsahnend. Bestimmt. Während dieser Laufrunde, die ihn aus der Großstadt in einen Wald und schließlich auf einen Berg führt, schnürte sich seine DNA. Alle anderen Texte, auch der Prolog und das Eingangskapitel, wurden danach verfasst. Als Henry den Berg wieder hinab läuft, hat er einen Kampf gegen Wut, Scham und den Schrecken seiner Kindheit hinter sich. Einen Kampf, den er noch viele Mal austragen wird.

Inhalt: Eine brutal zugerichtete Leiche taucht im Fluss auf: Die Kehle wurde durchgeschnitten und ein seltsames Zeichen befindet sich auf der Haut. Während Kommissarin Linda Liedke von einer Treibgutverletzung ausgeht, ist ihr neuer Kollege Henry Kilmer sicher, dass das Zeichen eine Bedeutung haben muss und ein Serienkiller die Stadt heimsucht. Als eine weitere Leiche auftaucht, scheint sich sein Verdacht zu bestätigen, und den Ermittlern rennt die Zeit davon. Denn Kilmer ist nicht nur dem Mörder auf der Spur, sondern auch den Geistern seiner eigenen Vergangenheit …