En passant – Die Reisen des Sherlock Holmes

Die Namen des beratenden Detektivs und seines treuen Gefährten begleiten mich seit meiner Kindheit. Oft genug rotierte in meinem Kinderzimmer die Schallplatte Das Zeichen der Vier, ein Hörspiel nach dem gleichnamigen Roman. Beim erstmaligen Hören war ich wesentlich jünger, als es der Vermerk auf der Plattenhülle empfiehlt, doch auch mit Erreichen des zwölften Lebensjahres verstand ich vieles nicht. Allein von den Dialogen her ist das Hörspiel recht anspruchsvoll – so werden die Gespräche zwischen Holmes und Watson nicht versimpelt, sondern behalten all die Verweise und Anspielungen auf die damalige Epoche bei. Auch wenn mir in dieser Hinsicht einiges verschlossen blieb, zog mich die Atmosphäre des Stücks sofort in den Bann. Ich brauchte nicht zu wissen, wer Felix Mendelsohn Bartholdy war oder dass das Vereinigte Königreich eine grausame Kolonialgeschichte zu verarbeiten hatte. Das Klackern der Pferdehufe auf den Straßen Londons, das Schlagen von Big Ben, das Knistern des Kaminfeuers in der Baker Street – das alles genügte, um in mir das Jahr 1888 heraufzubeschwören.

Von dieser heißgeliebten Platte war es nur eine Pfeifenlänge zu den Kurzgeschichten und Romanen. Jedoch verlangte ein Abstecher ins viktorianische London den Besuch der Bibliothek, da unser Bücherregal keine Zeile aus Doyles Feder besaß. Die ersten Bände, an die ich mich bewusst erinnere, sind Kiepenheuers lilafarbene Taschenbücher und die gebundene Ausgabe von Der Hund der Baskervilles aus dem Haffmans Verlag.

Dank des Spätprogramms verknüpften sich Sherlock Holmes Abenteuer rasch mit den allseits bekannten Verfilmungen. Bevor ich Jeremy Brett oder Ian Richardson in der Rolle des Meisterdetektivs zu schätzen lernte, begeisterte mich der Der Hund von Baskerville aus dem Jahr 1959. Das schauderhafte Moor gruselte mich noch mehr als der Höllenhund, besonders jene Szene, in der Dr Watson im Sumpf zu versinken droht. Zudem spielten Peter Cushing (Sherlock Holmes) und Christopher Lee (Sir Henry Baskerville) mit. Der Klassiker wird wohl immer einen Platz in meinem Herzen haben.

In meiner Jugend verlor ich dann das Interesse an Sherlock Holmes und Dr Watson; stattdessen schärmte ich für deren Nachkommen, also die Detektive der amerikanischen Hardboiled-Schule.

Die alte Leidenschaft wurde erst durch meine Neugier auf viktorianische Literatur wiederbelebt. Ich begann den gesamten Kanon der Originalgeschichten zu lesen. Seitdem verteidigen Doyles Werke einen komfortablen Platz in meiner Bibliothek, nämlich auf Augenhöhe und in Griffnähe. Wenigstens einmal im Jahr widme ich mich einem der Bände, wobei ich stets neue Details entdecke. Ja, ich muss gestehen, ein Portrait von Conan Doyle hängt neben meinem Schreibtisch.

Als ich gefragt wurde, ob ich mich für eine Anthologie mit Sherlock Holmes Pastiches bewerben wolle, entflammte natürlich mein Interesse. Nach der Recherche verfasste ich Die besorgte Lady, eine etwa dreißigseitige Kurzgeschichte, in der sich Holmes und Watson auf einen Ausflug in die Grafschaft Surrey begeben. Zu meinem Glück gefiel den Herausgeberinnen die Story, sodass sie in der Anthologie En passend – Die Reisen des Sherlock Holmes aufgenommen wurde. Diese Veröffentlichung macht mich vor allem aus zweierlei Gründen stolz: ersten ist es von der Aufmachung her ein schönes Buch – Cover, Layout, die Illustrationen am Anfang einer jeder Erzählung. Zweitens steht heute eine von mir erdachte Geschichte direkt neben Doyles Werken und all den anderen Pastiches, die sich über die Jahre angesammelt haben. Es fühlt sich beinahe so an, als sei ich nun Mitglied in einem exklusiven Klub, vielleicht eine Art Diogenes Club für Autor:innen.

Inhalt: Stillstand! Nichts ist Sherlock Holmes mehr verhasst!
Herausforderungen sind seine Muse, halten ihn am Leben. Dabei ist es nebensächlich, ob er einen Fall lediglich durchdenkt, aktiv ermittelt oder en passant in mysteriöse Angelegenheiten verwickelt wird. Ist erst einmal seine Neugier geweckt, bleibt kein Fall ungelöst, so verzwickt und rätselhaft dieser auch sein mag.
Nur Stillstand, der darf es nicht sein, sonst ruft die siebenprozentige Lösung unerbittlich nach dem Meisterdetektiv…

17 neue Fälle finden sich in diesem Buch versammelt; mit Illustrationen von Detlef Klewer.

Mit Geschichten von:
Jürgen Bärbig * Richard Fliegerbauer * Christoph Heiden * Regine D. Ritter * Christian Endres * M.W. Ludwig * Norbert Schäfer * Anke Elsner * Detlef Klewer * Tanja Brink * Wolfgang Kemmer * Jens Arne Klingsöhr * Kai Bößneck * Monika Grasl * Alexander Klymchuk * Sarah Lutter * Christoph Grimm (Inhaltangabe: Burgenwelt Verlag)