Heiden liest „Wahnsinn mit Methode“

Von Robert Blochs Büchern werden in Übersetzung allein noch drei Romane verlegt (Stand Juli 2022), darunter das Werk, dessen Name unwiederbringlich mit dem Autor assoziiert wird. Aus kommerzieller Sicht scheint Psycho dank Alfred Hitchcocks bahnbrechender Verfilmung sein größter Erfolg. Kaum ein Buchcover verzichtet auf ein Szenenfoto aus dem Klassiker. Marion unter der Dusche, Norman vor Mutters Haus. Und der Titel stets größer als der Autorenname. Doch sollte man Robert Bloch weder zu einer Fußnote in Hitchcocks Filmografie reduzieren noch zu einem literarischen One-Hit-Wonder. Über Psycho hinaus hat uns der Autor viele großartige Romane und Kurzgeschichten geschenkt, die nicht in Vergessenheit geraten dürfen.

Taschenbuchausgabe des Robert Bloch Romans "Psycho". Fotografiert von Christoph Heiden.
„Psycho“, Ausgabe Rowohlt 2014

Den Anfang meiner kleinen Robert Bloch Retrospektive soll Night-world machen, der hierzulande zunächst unter dem Titel Wahnsinn mit Methode veröffentlicht wurde. Blochs Roman ist eng mit meiner eigenen Laufbahn als Schriftsteller verbunden, denn der Titel einer zweiten Übersetzung betitelt ebenso eines meiner Bücher: Nacht im Kopf. Eine Verneigung vor dem Autor findet sich sowohl in diesem Roman als auch im Vorgängerband Zurück im Zorn – beide Male in Gestalt des fiktiven Drehbuchschreibers und Spiritisten Alan Albert Bloch.

Night-world nimmt uns mit auf eine Achterbahnfahrt durch das Los Angeles der 1970er Jahre. Fünf Insassen fliehen aus einem Sanatorium und verursachen durch ihre Flucht eine Serie grausamer Verbrechen. Nachdem das Personal und der leitende Arzt ermordet wurden, werden die Geflohenen selbst zu Opfern eines unbekanntes Täters. Ein jeder dieser Morde bildet einen Höhepunkt (von gerademal sieben bis zehn Seiten) auf unserer Fahrt im Hollywood Roller Coaster.

"Nacht im Kopf"  von Christoph Heiden aus dem Jahr 2021. "Nacht im Kopf" von Robert Bloch aus dem Jahr 1972.
„Nacht im Kopf“, Gemeiner 2021 & Diogenes 1986

Hauptfigur des Romans ist Karen Raymond, deren Mann zu den vermissten Patienten gehört. Bruce war aufgrund psychischer Probleme in der Privatklinik behandelt worden, und auch wenn der Begriff „Vietnamtrauma“ nicht fällt, drängt er sich beim Lesen förmlich auf. Night-world erschien 1972, und die USA befand sich seit acht Jahren im Krieg. Über Bruce heißt es: „Er konnte diese Veteranenkrankenhäuser nicht ausstehen.“ Und wenig später: „Auf alle Fälle stand er unter psychiatrischer Beobachtung, bevor er aus dem Militärdienst entlassen wurde.“

Der Krieg war aus dem Alltag der US-Amerikaner nicht mehr wegzudenken. Im Radio werden die Situation in Asien erwähnt, dazu Krawalle und Demonstrationen in Washington; eine Figur sinniert: „Der nächste Schritt war der Krieg. Aber daran wollte er nicht denken, an das Massaker der Unschuldigen.“ Bruce meint, er habe hunderte Leichen in Übersee gesehen und alle hätten sie gleich ausgesehen. Doch nicht allein das Morden in Südostasien kontrastiert die Glitzerwelt von Los Angeles, darüber hinaus erinnert Bloch an Charles Whitman, den Würger von Boston und den Zodiac-Killer. Das geschieht nicht in ausschweifenden Exkursen, sondern kurz und knapp, sodass sich die Namen der Serienkiller nahtlos unter die der berühmten Sehnsuchtsorte einreihen: Laurel Canyon, Wonderland Avenue, Sunset Strip, Charly Manson.

„Alle Menschen sind Brüder. Aber welcher Bruder ist Kain?“ In Night-World präsentiert sich die Welt als Rummelplatz für Kains aller Art, eine Welt, deren Oberflächlichkeit jede persönliche Ebene verhindert. Während die apokalyptische Achterbahnfahrt sich den Gesetzen der Popkultur unterwirft, ist Blochs Roman zugleich Spiegelbild und Teil dessen.

Allerdings will ich nicht den Eindruck erwecken, es würde sich um einen zeitkritischen Roman über das L.A. der 1970er Jahre handeln. Das Buch wird sich nur schwer mit einem Police procedural von Joseph Wambaugh vergleichen lassen. Letztlich schreibt Bloch fiese Stories, gespickt mit allerlei Twists und makabren Humor.

Robert Bloch
Robert Bloch, 1917 – 1994

Und genau das zeichnet Nacht im Kopf auch aus: diese spöttische Perspektive. Ein für Bloch typischer Blick, vielleicht die Folge seiner persönlichen Niederschläge in Hollywood. Beißend kommentiert er den Lifestyle der „Beautiful People“, und dieser Spott erblüht besonders in den kurzen Kapiteln, die sich den Morden widmen. Hier wird nichts ausgewalzt oder bis ins kleinste Detail vorgeführt, im Gegenteil: Bloch schubst uns in den Wagon, stößt die Sicherheitsstange herunter und lässt die Fahrt mit einem Looping (einem gemeinen, mitunter schwarzhumorigen Satz) enden. Darin zeigt sich die Größe des Autors, der Psycho 2 zu einer Satire über Hollywood formte und nicht zu einer reinen Fortsetzung des Originalromans oder gar der Verfilmung.

Trotz all dieser Stärken beschreitet Nacht im Kopf kein Neuland, weder stilistisch noch mit seiner linearen Struktur. Alles folgt brav den Regeln – die Story, die Ausarbeitung der Figuren, die Platzierung des Twists. Innerhalb dieser Konventionen bewegte sich Robert Bloch jedoch so geschickt wie zielsicher, was Nacht im Kopf zu einem Stück feinster Unterhaltung macht.